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Was studieren vor dem Regieren?

Studiengänge mit Politik

Ob Stadtratssitzung oder Gipfeltreffen - Politik ist ein spannendes Berufsfeld, die Arbeitsmöglichkeiten in ihrem Dunstkreis sind vielfältig. Doch wie gelingt der Start? Studiengänge, die die besten Voraussetzungen für eine politische Karriere schaffen.

Politikstudium, politische Beziehungen, Kanzler werden, in den Bundestag, Nahoststudium, internationale Beziehungen

Mitte Juni, EU-Gipfel in Brüssel. Europa braucht eine gemeinsame Verfassung. Und Angela Merkel tritt an, um sie auszuhandeln. Das ist ungefähr so einfach, wie aus einer Horde wild zusammengewürfelter Musiker binnen eines Tages ein Sinfonieorchester zu machen. Denn die Regierungschefs der 27 EU-Länder sind gar nicht so dicke Freunde, wie das im Fernsehen manchmal wirkt. Besonders Polen und Großbritannien stellen sich quer, versuchen mit aller Härte, ihre Forderungen durchzusetzen. Aber die Bundeskanzlerin taktiert geschickt. Jetzt bittet sie den polnischen Präsidenten zu einem Vier-Augen-Gespräch, danach ist Gordon Brown aus England an der Reihe. Stunden vergehen. Dolmetscher rotieren. Draußen stürzen sich die Journalisten auf jedes noch so kleine Gerücht. Dann endlich, um halb fünf Uhr morgens, tritt Angela Merkel vor die Kameras, müde und aufgekratzt zugleich, und sagt den entscheidenden Satz: "Wir haben einen Kompromiss."

So spannend wie in Brüssel geht es in der Politik zwar nicht immer zu, gleichwohl gibt es in ihrem direkten und indirekten Umfeld eine Menge attraktiver Arbeitsmöglichkeiten. Doch wie gelingt der Einstieg? Bis vor ein paar Jahren schrieben sich Abiturienten mit politischem Interesse meist in den Studiengang Politikwissenschaft ein, der in Deutschland jedoch eher theoretisch ausgerichtet ist und kaum spezielles, im späteren Beruf anwendbares Know-how lehrt. Seit der Umstellung auf die neuen Abschlüsse Bachelor und Master entstehen jedoch an vielen Hochschulen neben der klassischen Politologie auch stärker praxisorientierte Studiengänge mit politischen Anteilen. Sie konzentrieren sich immer nur auf einen Teilbereich der Politik, nähern sich diesem aber aus unterschiedlichen Richtungen. 

Staaten brauchen Spielregeln im Umgang miteinander

Julia Ballaschk etwa studiert an der Technischen Universität Dresden im vierten Semester Internationale Beziehungen (IB). Das Programm ist im deutschsprachigen Raum einmalig, es vermittelt neben den politikwissenschaftlichen auch wirtschaftliche und rechtliche Inhalte, jeweils mit starker internationaler Ausrichtung. Vereinfacht gesagt, lernt Julia in ihrem Studium, welche Spielregeln zu beachten sind, wenn zwei Staaten miteinander kommunizieren. Das Gipfel-Gezänk in Brüssel ist für sie also bester Anschauungsunterricht, wie man es nicht machen sollte. Und auch nach dem Examen will die 21-Jährige den Politikern kritisch auf die Finger schauen. Ihr Traumjob: Auslandskorrespondentin, Schwerpunkt Menschenrechte, bei einer Wochenzeitung oder einem Magazin. "Ich möchte Menschen eine Stimme geben, die sonst niemand hören würde", sagt sie. Bis es so weit ist, steht im Herbst aber erst noch ihr Auslandssemester in Istanbul an.

"Unser Fach richtet sich an junge Leute, die in ihrem Studium ganz bewusst das internationale Element suchen", erklärt Stefan Robel, Geschäftsführer des Zentrums für Internationale Studien an der TU Dresden. Bewerber sollten neben einem guten Abitur möglichst schon ein wenig Auslandserfahrung mitbringen und sich für politische, wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge interessieren. Nach ihrem Bachelor-Abschluss satteln die meisten IB-Studierenden direkt noch den Master drauf, ehe sie auf Jobsuche gehen. "Das Berufsfeld ist zwar nicht klar umrissen, dafür aber ziemlich vielfältig", sagt Robel, der über den Verbleib seiner Absolventen genau Buch führt. Die kommen in inter- oder supranationalen Organisationen wie der EU unter, finden Anstellung in Privatwirtschaft und Wissenschaft, arbeiten als Fachreferenten in Ministerien und Parlamenten oder eben als Journalisten. 

Experten für eine explosive Region

Um internationale Beziehungen geht es auch in einem neuen Bachelor-Studiengang an der Universität Halle-Wittenberg, allerdings mit Fokus auf eine hoch explosive Region: Nahoststudien startet im Wintersemester 2007/08 und zielt auf Abiturienten, die ein starkes Interesse am israelisch-palästinensischen Konflikt und an der arabisch-islamischen Welt haben. Themen des Studiums sind sowohl die Analyse der politischen Lage im Nahen Osten als auch der genaue Blick auf die historischen Hintergründe des Konflikts und die beteiligten Religionen. "Wir werden sehr darauf achten, unseren Studierenden die Sichtweisen beider Seiten näher zu bringen", erklärt Heidrun Eichner vom Orientalischen Institut der Hochschule, das für den Studiengang verantwortlich zeichnet, "denn nur mit einer ausgewogenen Betrachtung ist wissenschaftlich fundiertes Arbeiten möglich". Sprachkurse in Hebräisch und Arabisch sind deshalb obligatorisch und nehmen ebenso wie die Landeskunde viel Raum im Curriculum ein.

"Nahoststudien" ist ein Zwei-Fach-Bachelor und lässt sich am besten mit Nebenfächern wie etwa Politikwissenschaft oder Ethnologie kombinieren. Arbeitsmöglichkeiten für Absolventen sollen sich in den unterschiedlichsten Feldern ergeben, etwa in der Entwicklungshilfe oder im Konfliktmanagement, in der Politikberatung, in Journalismus und PR. Jedoch warnt Heidrun Eichner vor dem überstrapazierten Begriff des Nahostexperten: "Wer bei uns studiert hat, soll kein neuer Peter Scholl-Latour werden. Und er gewinnt später auch nicht automatisch den Friedensnobelpreis."

Die vorgestellten Beispiele sind nur zwei aus einer mittlerweile recht langen Liste neuer, fächerübergreifender Politik-Studiengänge. Zwei weitere Beispiele gefällig?

Der Bachelor "Integrierte Europastudien" an der Uni Bremen bildet Abiturienten zu Europa-Experten aus und vermittelt neben politikwissenschaftlichen auch soziologische und kulturgeschichtliche Aspekte. Der Schwerpunkt liegt auf Osteuropa und den Herausforderungen, vor denen die EU nach der Osterweiterung steht. Auslandssemester, Russisch- und Polnisch-Unterricht sowie ein Praktikum mit Europa-Bezug sind feste Bestandteile.

Die Zeppelin University in Friedrichshafen vermischt in ihrem Programm "Public Management & Governance" Politik- und Verwaltungswissenschaften mit Wirtschaft und Öffentlichem Recht. Ziel ist es, Manager für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene auszubilden. Karrierechancen ergeben sich außerdem in Nichtregierungsorganisationen und Verbänden, in der Privatwirtschaft und der Beratung.

Doch was studiert der, der nicht bloß im Dunstkreis der Politik arbeiten, sondern irgendwann selber das Land regieren will. "Für Politiker gibt es keinen vorgeschriebenen Ausbildungsweg", sagt Stefan Robel von der TU Dresden, "man braucht sich ja nur mal die ursprünglichen Berufe unserer Bundestagsabgeordneten anzugucken." Dort führen ganz klar die Juristen, gefolgt von den Lehrern. Doch auch die meisten anderen Berufsgruppen sind vertreten. Und das ist gut so, schließlich soll der Bundestag die Gesellschaft abbilden. Franz Müntefering zum Beispiel hat früher mal Kaufmann gelernt, Angela Merkel hingegen ist Doktor der Physik. Ihre analytischen Fähigkeiten verdankt die Kanzlerin also den Naturwissenschaften. Den EU-Gipfel in Brüssel jedenfalls hat sie damit glänzend gemeistert.