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Sind vermögenswirksame Leistungen noch zeitgemäß?

Experten-Interview mit Martin Sohn

Altersvorsorge ist kein aufregendes Thema – gerade dann, wenn du dich gerade erst damit beschäftigst, was du nach der Schule machen möchtest. Trotzdem lohnt es sich, wenn du dich frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzt. Je mehr du über die verschiedenen Möglichkeiten der Altersvorsorge weißt, desto besser kannst du dich für die Möglichkeiten entscheiden, die am besten zu deinem Leben und dir passen. Dieses Experten-Interview hilft dir hoffentlich dabei!

Unser heutiger Interview-Gast ist Martin Sohn, Finanzberater und Inhaber des Portals vermoegenswirksame-leistungen.de. Es geht darum, ob vermögenswirksame Leistungen als Geldanlage heute noch zeitgemäß sind, und wie man als Arbeitnehmer das Beste für sich herausholt.

Was sind vermögenswirksame Leistungen?

einstieg.com: Herr Sohn, können Sie zunächst kurz zusammenfassen, um was es bei vermögenswirksamen Leistungen eigentlich geht, und wie man als Arbeitnehmer in den Genuss kommt?

Martin Sohn: Vermögenswirksame Leistungen (kurz: VL) sind eine freiwillige Geldleistung, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zusätzlich zum monatlichen Gehalt zahlen. Ziel ist es, sich als Unternehmen am langfristigen Vermögensaufbau der Mitarbeiter zu beteiligen. Dies geschieht mit bis zu 40 Euro monatlich, die 6 Jahre lang in einen Sparplan eingezahlt werden. Ein weiteres Jahr ruht das Geld, bevor es der Arbeitnehmer schließlich ausgezahlt bekommt. VL werden zudem staatlich gefördert.

einstieg.com: Sie sprachen soeben von einer staatlichen Förderung. Könnten sie das für unsere Leser genauer erläutern?

Martin Sohn: Werden die VL in einen sogenannten förderfähigen Vertrag angelegt, zahlt der Staat einen Bonus – die sogenannte Arbeitnehmersparzulage - obendrauf. Beim Bausparvertrag beispielsweise gibt es bis zu neun Prozent auf maximal 470 Euro pro Jahr, beim Fondssparplan sind es sogar 20 Prozent auf bis zu 400 Euro. Bei Verheirateten verdoppeln sich die Summen jeweils. Allerdings gelten gewisse Einkommensgrenzen, da sich die Förderung in erster Linie an Geringverdiener richtet. Für den Bausparvertrag liegt die Grenze bei 17.900 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen, beim Fondssparen sind es 20.000 Euro – jeweils für Single-Haushalte. Bei Verheirateten wird wieder verdoppelt. Wichtig zu wissen: Auch wer die Zulage aufgrund seines Einkommens nicht bekommt, kann natürlich trotzdem die VL vom Arbeitgeber beziehen.

einstieg.com: Kann eigentlich jeder Arbeitnehmer VL bekommen?

Martin Sohn: Grundsätzlich kann jeder Arbeitnehmer, der Gehalt bekommt, auch vermögenswirksame Leistungen beziehen. In einigen Branchen ist die Zahlung im Tarifvertrag geregelt, in anderen Branchen greifen die Arbeitgeber ihren Angestellten freiwillig unter die Arme. Doch selbst wenn das nicht der Fall ist, kann sich der Arbeitnehmer selbst einen Anteil von seinem Gehalt in VWL umwandeln lassen. Im Zweifel hilft meist ein Gespräch mit der Personalabteilung oder dem direkten Vorgesetzten weiter.

einstieg.com: Welche Anlageprodukte gibt es für vermögenswirksame Leistungen, und welche würden Sie aktuell empfehlen?

Martin Sohn: Es gibt mehrere Finanzprodukte, auf die vermögenswirksame Leistungen laufen können. Banksparpläne und Versicherungen sind ebenso möglich wie die Klassiker Bausparvertrag oder Fondssparplan. Ein Wertpapierdepot mit ETF-Sparplan bietet jedoch deutliche Vorteile: Es ist kostengünstig, und durch die lange Laufzeit haben Anleger hohe Chancen auf eine gute Wertentwicklung.

einstieg.com: Sie empfehlen ETFs als Anlage: Was ist das eigentlich genau, und wie legt man seine vermögenswirksamen Leistungen dort an?

Martin Sohn: Die Abkürzung ETF steht für „Exchange Traded Funds“, auf Deutsch: „börsengehandelter Indexfonds“. Der Fonds bildet also einen bekannten Börsenindex, wie z.B. den Dax oder MSCI-World nach. Statt also beispielsweise in eine einzelne Aktie zu investieren und damit „volles Risiko“ zu gehen, legt man sein Geld in eine Vielzahl von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Regionen an. Und die Auswahl der einzelnen Werte geschieht völlig automatisiert nach festgelegten Regeln. Das spart Kosten, wovon am Ende alle profitieren. Mit den VL wird dann jeden Monat ein kleiner Anteil an so einem ETF gekauft.

Ein Klassiker: Der Bausparvertrag

einstieg.com: Früher war der Bausparvertrag der Klassiker bei den VL-Anlagen. Würden Sie Bausparen auch heute noch empfehlen?

Martin Sohn: Das kommt ganz auf die Rahmenbedingungen an. Aktuell sehen wir ja wieder steigende Bauzinsen. Wer vorhat, Wohneigentum zu erwerben, oder bei sich zu Hause zu renovieren, macht mit einem Bausparvertrag aktuell nichts verkehrt. Denn so sichert man sich schon jetzt günstige Zinsen für das Darlehen von morgen. Wer jedoch heute noch nicht weiß, was morgen dem Geld passiert, sollte sich doch eher für Fondssparen entscheiden.

einstieg.com: Der Titel des Interviews lautet: Sind vermögenswirksame Leistungen noch zeitgemäß? Was genau meinen Sie damit?

Martin Sohn: Ich bin davon überzeugt, dass vermögenswirksame Leistungen auch heute noch ihren Zweck erfüllen. Zugegeben: Das Thema hat mittlerweile ein etwas angestaubtes Image. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass es so viele Regeln und Einschränkungen gibt. Diese wurden auch seit Jahren nicht mehr angepasst: Das gilt sowohl die monatlichen Beträge als auch die Höhe der Förderung. Auch die Einkommensgrenzen sind aus heutiger Sicht einfach zu niedrig. Außerdem haben viele Firmen schlicht kein Interesse daran, ihre Mitarbeiter auf die Möglichkeiten hinzuweisen. Und zu guter Letzt müssen Erträge wie Zinsen oder Kursgewinne auch noch versteuert werden. Das hinterlässt bei vielen Sparern einen „bitteren Nachgeschmack“.

einstieg.com:  Was ist bei VL bereits besser geworden, und was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern?

Martin Sohn: In den letzten Jahren hat sich zumindest einiges verbessert. Allen voran die Digitalisierung ist hier deutlich spürbar. Der Abschluss eines Sparplans kann mittlerweile online erfolgen. Man muss dafür keinen Termin mehr bei der Bank vereinbaren. Das ist ein großer Fortschritt, da es dem Verbraucher viel Zeit spart. Verbessert werden sollte meiner Meinung nach zuallererst der monatliche Sparbeitrag. Dieser könnte schrittweise auf etwa 100 Euro erhöht werden. Zusätzlich sollten sowohl Einkommensgrenzen als auch die Höhe der Arbeitnehmersparzulage an das heutige Preis- und Einkommensniveau angepasst werden – die letzte Erhöhung ist immerhin schon ca. 20 Jahre her. Zudem finde ich, dass man die Besteuerung auf die Erträge wie z.B. Zinsen oder Kursgewinne abschaffen sollte – zumindest dann, wenn die komplette Sperrfrist von sieben Jahren eingehalten wurde. Und jeder Arbeitgeber sollte verpflichtet sein, einen neuen Arbeitnehmer beim Eintritt in das Arbeitsverhältnis zumindest einmal auf die Möglichkeit der VL hinzuweisen.

einstieg.com: Eine letzte Frage an Sie: Es heißt immer, dass VL für Arbeitnehmer Vorteile bieten: Doch was ist eigentlich mit den Unternehmen? Profitiert auch der Arbeitgeber davon?

Martin Sohn: Ja, einerseits können Betriebe die gezahlten Beiträge steuerlich absetzen. Doch auch, wenn dies die verursachten Kosten nur zum Teil wieder ausgleicht, bieten VL für Unternehmen Vorteile. Denn seien wir mal ehrlich: Welcher Arbeitnehmer freut sich nicht, wenn der Arbeitgeber einen zusätzlichen Bonus zahlt, und sich so am Vermögensaufbau beteiligt? Dadurch steigt die Zufriedenheit im Betrieb und damit die Mitarbeiterbindung. Das wiederum kann zu einer positiven Außendarstellung des Unternehmens führen, wovon sich Fach- und Führungskräfte angezogen fühlen. Auch wenn es sich hierbei nicht um direkt messbare Auswirkungen handelt, sollten Entscheider in Firmen diese Maßnahmen nicht unterschätzen!

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