Bachelor und Master
Was sind die Unterschiede?
Immer mehr Menschen kaufen online ein, statt ins Geschäft zu gehen. Aber wer erfindet die digitalen Einkaufsmeilen? Kristina Engel studiert E-Commerce, eine Mischung aus BWL und Informatik, und lernt dabei alles rund ums Shoppen im Internet.
Amazon, Zalando, Otto.de – kauft eigentlich noch irgendjemand nicht im Internet ein? Das Online-Geschäft wächst derzeit schwindelerregend schnell, während in den Innenstädten Laden um Laden schließt. Insbesondere kleinere Einzelhändler machen dicht, weil ihre Kunden die Ware im Netz bequemer und meistens auch günstiger bekommen. Kristina Engel geht zum Shoppen trotzdem immer noch lieber in die Stadt – auch wenn ihre Studienwahl zunächst etwas anderes vermuten lässt. Man könnte sogar sagen, dass die 21-Jährige an dem Ast sägt, auf dem sie selber sitzt. Denn Kristina studiert im vierten Semester das Fach E-Commerce an der Fachhochschule Wedel bei Hamburg, ist also auf dem besten Weg zur Expertin in Sachen Online-Handel.
E-Commerce verbindet Betriebswirtschaft und Marketing mit Informatik und Webentwicklung. Der hohe Anteil an Informatik verunsicherte Kristina zuerst, denn in der Schule hatte sie mit dem Fach nichts am Hut. "Man fuchst sich da halt rein", sagt sie schmunzelnd. "Am Anfang haben wir zum Beispiel Tetris oder Mastermind programmiert, um die verschiedenen Programmiersprachen kennenzulernen, später geht es dann eher um Webdesign und Datenbanken." Der Studiengang in Wedel ist bislang einer der wenigen, die explizit für den Online-Handel ausbilden. Etwas mehr als 30 Studiengänge in Deutschland beschäftigen sich mit E-Business. Zusätzlich werden etliche BWL-Studiengänge angeboten, die sich unter anderem mit E-Commerce beschäftigen. "Häufig beschränkt sich das allerdings auf eine Art Exkurs. Bei uns zieht sich E-Commerce stattdessen wie ein roter Faden durchs ganze Studium", sagt Professor Holger Schneider, der den Studiengang in Wedel leitet. Zur Auswahl stehen dort die Vertiefungsrichtungen Informatik und Wirtschaft. Bevor die Studierenden sich allerdings für eine von beiden entscheiden, lernen sie erst mal gemeinsam die Grundlagen. Dabei spielen Themen wie Rechnungswesen und Unternehmensführung, Online-Marketing und Web-Analytics eine Rolle.
Bei Kristina stand außerdem von Anfang an Praxis auf dem Stundenplan. Das bedeutet natürlich auch Arbeit. "Viele Studenten werfen das Handtuch, weil sie ein sehr lockeres Bild vom Studieren haben und bei uns anfangs viel vorgegeben wird", sagt Schneider. Von 16 Studenten in Kristinas Klasse war zum Beispiel nach dem ersten Semester nur noch etwa die Hälfte übrig. Die Verbliebenen arbeiten mittlerweile bereits an Projekten für richtige Kunden, denn die Hochschule kooperiert regelmäßig mit Unternehmen, bei denen die Studierenden ihr Können testen dürfen. Im ersten Semester erstellte Kristina zum Beispiel einen Blog namens bailazu.de, in dem sich alles um den Fitness-Tanz Zumba dreht. Das Ziel war, die Seite durch Konzept und Inhalte in den Suchergebnissen von Google möglichst weit nach vorn zu bringen. Und schon im Semester darauf baute sie gemeinsam mit ihren Kommilitonen für den Möbelhändler Avandeo.de erfolgreich einen Online-Shop auf. "Zu sehen, wie Leute ganz real in einem Shop einkaufen, den man selbst gestaltet hat, ist richtig cool", freut sie sich.
Jetzt gerade geht es etwas theoretischer zu: In einem Seminar zum Thema Usability blickt sie konzentriert geradeaus, während sie sagen soll, welche Farbe ein Stift hat, den ein Kommilitone rechts, ganz am Rand, in ihr Blickfeld hält. Für sie bleibt er jedoch einfach grau, denn so weit außen erkennt man keine Farben. Im Seminar geht es darum, welche Inhalte Menschen wahrnehmen, wenn sie eine Webseite besuchen, und warum sie manche Dinge einfach übersehen. Auch hier nehmen die Studenten echte Online-Shops unter die Lupe und tüfteln an Strategien, mit denen die Nutzer die Seite einfacher bedienen können. Dabei lernen sie von echten Profis aus der Praxis und besuchen sogar ein Test-Labor.
Dass gerade im Online-Handel viele Unternehmen händeringend nach qualifiziertem Nachwuchs suchen, hat auch Kristina schon mehrfach zu spüren bekommen. Bereits früh im Studium steckten ihr Personaler auf Firmenkontaktmessen ihre Visitenkarten zu und sagten: "Werden Sie bloß schnell fertig!" Jetzt ist sie im vierten Semester, und an der Situation hat sich nichts geändert: "E-Commerce ist schon fast wie ein Zauberwort, das alle hören wollen", sagt sie. "Ich hoffe, dass das nicht so schnell vorbei geht!" Deutlich wird diese Situation auch an Stipendien, die Konzerne wie die Otto Group ausschreiben. Sie investieren viel in den Nachwuchs und wollen diesen möglichst früh an sich binden. Für Kristina, die eine von drei Otto-Stipendiaten ist, bedeutet das erst mal, dass das Unternehmen den Semesterbeitrag von 1.530 Euro für sie zahlt. Außerdem erhält sie die Gelegenheit, dort ein Praxissemester zu verbringen. Und: Bei Veranstaltungen und Workshops, die von Otto organisiert werden, kann sie schon regelmäßig Branchen-Kontakte knüpfen. Dass die Nachfrage nach jungen E-Commerce-Köpfen in absehbarer Zeit nachlassen wird, muss Kristina übrigens nicht befürchten. Nach Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (BVH) hat sich der Umsatz des Online-Handels in den letzten Jahren verdoppelt und wird künftig weiter wachsen. Einerseits, weil reine Online-Händler ihr Geschäft weiter ausbauen, andererseits, weil in Zukunft mehr traditionelle Einzelhändler, die sich bislang noch schwer mit dem Internet täten, zusätzlich zu ihren Geschäften Online-Shops eröffnen würden, meint Studiengangsleiter Holger Schneider. Und dafür brauchen sie Fachkräfte.
Wenn Kristina mit dem Studium fertig ist, wird sie sich ihren Arbeitsplatz deshalb wahrscheinlich aussuchen können. Große Handelskonzerne werden sich dann um sie reißen, aber auch für kleinere Einzelhändler ist ihr Know-how interessant. Selbst wenn es nicht um den Aufbau eines Online-Shops geht, ist sie gut aufgestellt, denn sie ist fit in BWL und weiß auch, wie ein Unternehmen sich online präsentieren muss, um mehr Menschen ins Geschäft vor Ort zu locken. Auf den Einkaufsbummel in der Stadt wird Kristina also in Zukunft hoffentlich nicht verzichten müssen.
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