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Ganz schön vielseitig

Berufe in der Verwaltung

Sie arbeiten fürs Gemeinwohl, also für uns alle. Und selbst, wenn sie uns dabei manchmal ein bisschen nerven – ohne die Beamten in der öffentlichen Verwaltung würde Deutschland nicht funktionieren.

Sie sind faul, unflexibel, stur, ja sogar korrupt. Tagein, tagaus sitzen sie in ihren staubigen Büros, sortieren Akten und nerven unsereins mit ihren bürokratischen Vorschriften. Und wenn man sie dann wirklich mal braucht, haben sie entweder schon Feierabend, oder aber es vergehen Stunden in der Wartehalle, bis man endlich an der Reihe ist. Von welchem Berufsstand ist hier wohl die Rede? Klar, von den Beamten.

Seltsam nur, dass Christian Spormann gar nicht wie einer wirkt, auf den all diese Vorurteile zutreffen sollen. Aber so ist das halt mit Vorurteilen. An diesem Morgen sitzt der 26-Jährige, dessen wache Augen neugierig hinter einer Brille hervorlugen, an seinem Schreibtisch im Jugendamt von Mönchengladbach und ist ins Kundengespräch vertieft. Er berät eine junge Frau, die vor kurzem Mutter geworden ist. Das Problem: Der Vater des Kindes, mit dem die Frau nicht verheiratet ist, weigert sich, Unterhalt zu zahlen. Hier ist das Jugendamt gefragt. 

Immer nah am Bürger

"In solch einem Fall übernehmen wir dann quasi die Rolle des Anwalts für das Kind", erklärt Christian Spormann. Zuerst fordert er den Vater auf, sich zu der Sache zu äußern. Bezweifelt dieser, überhaupt der Vater zu sein, veranlasst Spormann eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung. Ist diese positiv, berechnet er anhand der monatlichen Einkünfte des Mannes den fälligen Unterhalt für das Kind und versucht erneut, ihn zum Einlenken zu bewegen. Weigert er sich weiterhin, verklagt ihn das Jugendamt letztlich auf Zahlung. Der Fall landet vor dem Familiengericht. "In meinem Job kann ich Menschen, die in einer Notlage sind, ganz unmittelbar helfen", sagt Spormann. "Und darum geht es mir auch. Wer in der Verwaltung arbeiten will, weil er denkt, toll, da tanzen die Bürger nach meiner Pfeife, der ist hier definitiv falsch." Christian Spormann ist einer von mehr als 3.000 Beschäftigten in Mönchengladbachs kommunalem Verwaltungsdienst, die zusammen dafür sorgen, dass die Stadt funktioniert. Sie arbeiten für das Gemeinwesen, also für uns alle. Sie unterstützen und beraten die Bürger in wichtigen Angelegenheiten und erleichtern ihnen so das Leben. Und sie halten die öffentliche Ordnung aufrecht – notfalls durch Verhängung von Bußgeldern. Kommunale Verwaltungsbeamte sitzen in den unterschiedlichsten Ämtern und Dienststellen einer Stadt: im Umweltamt und in der Kämmerei, im Sozialamt und im Baudezernat, im Personalamt und in der Stadtbibliothek, im Standesamt und bei der Feuerwehr.

Die Karrieremöglichkeiten in der Kommunalverwaltung sind vielfältig und hängen zunächst einmal vom Schulabschluss eines Bewerbers ab. So können Schulabgänger mit Mittlerer Reife ausschließlich die mittlere Beamtenlaufbahn einschlagen, während Abiturienten sich für den so genannten gehobenen Dienst bewerben. Hochschulabsolventen steht darüber hinaus der höhere Dienst offen. 

Nicht nur Bürojobs

Christian Spormann hat nach dem Abitur den dualen Studiengang zum Diplom-Verwaltungswirt im gehobenen Dienst absolviert. Inzwischen ist dieser durch den Bachelor-Studiengang "Kommunaler Verwaltungsdienst" ersetzt worden – eine wahre Generalisten-Ausbildung, denn hinterher kann man tatsächlich in sämtlichen Ämtern einer Kommune eingesetzt werden. Und dort warten – siehe Vorurteil – nicht zwangsläufig reine Bürojobs auf die Verwaltungsprofis. "Wer lieber an der frischen Luft ist, bewirbt sich einfach um eine Stelle im Außendienst, kontrolliert zum Beispiel für das Ordnungsamt, ob Gaststätten den Jugendschutz einhalten, bekämpft Schwarzarbeit oder den Missbrauch von Sozialleistungen", erklärt Oliver Kröppel, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Beamtenbund-Jugend in Nordrhein-Westfalen.

 Das dreijährige Studium zum Bachelor im Kommunalen Verwaltungsdienst findet in Nordrhein-Westfalen wie in vielen anderen Bundesländern zu gleichen Teilen an einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und in der jeweiligen Kommune statt, wo die Auszubildenden Praxisphasen durchlaufen. Auf einen Studienabschnitt an der FH folgt also stets der Realitäts-Check im Amt.

Es gibt zwei verschiedene Studienrichtungen, zwischen denen man sich entscheiden muss: In der "Allgemeinen Verwaltung" (Abschluss: LL.B.) steht in erster Linie Jura auf dem Stundenplan, besonders öffentliches Recht und Verwaltungsrecht, denn die fertigen Stadtinspektoren müssen sich später gut mit Gesetzen und Paragraphen auskennen. In der "Verwaltungsbetriebswirtschaftlehre" (Abschluss: B.A.) hingegen liegt der Fokus auf BWL. 

Langweiliges übernimmt der Computer

Kompliziert geht es auch an Christina Weitz' Arbeitsplatz häufig zu, das bringt die Materie einfach mit sich: Die 22-Jährige ist Steuerprofi. Nach abgeschlossenem dualen Studium zur Diplom-Finanzwirtin arbeitet sie seit letztem Sommer im Finanzamt Köln-West und jongliert dabei tagtäglich gekonnt mit Fachbegriffen wie Kapitalertragsteuer, Halbeinkünfteverfahren, Veranlagungsbescheid und Betriebsprüfungs-Mehrergebnis. Doch keine Angst! So trocken, wie der Job zunächst vielleicht klingt, ist er gar nicht. Christina Weitz: "Das Rechnen und die langweiligen Tätigkeiten übernimmt heute eh komplett der Computer. Auch mit Aktenbergen haben wir kaum noch zu tun – ist inzwischen alles digitalisiert. Wir sind doch nicht mehr im Mittelalter."

Tatsächlich warten statt Akten wälzen und Zahlen kalkulieren nach dem Abschluss spannende und mitunter nicht ganz alltägliche Aufgaben auf die Diplom-Finanzwirte: Wer sich für IT interessiert, kann zum Beispiel im Rechenzentrum bei der Programmierung von Steuer-Software wie "Elster" mitarbeiten. Nervenkitzel verspricht hingegen ein Job in der Betriebsprüfung oder bei der Steuerfahndung. Oder aber man tauscht die Alltags-Klamotten gegen Smoking und Fliege und wacht als Finanzrevisor im Spielcasino darüber, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht. "Es gibt nur ganz wenige Berufe im öffentlichen Dienst, die so vielseitig sind wie der Diplom-Finanzwirt", sagt Sabine Loock, Ausbildungsreferentin in der Oberfinanzdirektion Rheinland. Christina Weitz arbeitet seit Ausbildungsende in der Veranlagungsstelle ihres Finanzamtes, wo sie für die Besteuerung von Selbstständigen und Gewerbetreibenden innerhalb eines Kölner Stadtbezirks zuständig ist. Dabei steht sie in engem Kontakt mit den Steuerpflichtigen, unterstützt sie telefonisch oder im persönlichen Gespräch bei ihren Steuererklärungen. Legt ein Kunde Einspruch gegen seine Steuerfestsetzung ein, so landet auch dieser auf dem Schreibtisch der jungen Beamtin. "Das Veranlagungsgeschäft ist prima, um Erfahrung zu sammeln, denn hier wird man täglich mit den meisten Steuerarten konfrontiert. Man kann sehen, was einem am meisten Spaß macht, und sich dann darauf spezialisieren." Christina möchte auf lange Sicht gerne in die Ausbildungsabteilung wechseln und ihr Wissen an die nächste Generation der Finanzwirte weitergeben. Ihr zweiter Wunsch: Als Betriebsprüferin Steuersündern auf die Schliche kommen. "Das ist natürlich unheimlich spannend, wenn man wochenlang wie ein Detektiv in einem Fall wühlt und dann am Ende auch wirklich etwas findet." 

Auch nach dem Studium weiterlernen

Das theoretische Rüstzeug für ihren Beruf hat die Nachwuchs-Beamtin drei Jahre lang an der Fachhochschule für Finanzen im westfälischen Nordkirchen erhalten. Die zwischenzeitlichen Praxisphasen absolvierte sie im Kölner Finanzamt. Christinas Beruf gehört übrigens nicht zur kommunalen, sondern zur Landesverwaltung,  weil die Steuerverwaltung in Deutschland bei den meisten Steuerarten Sache der Bundesländer ist. 

An der zentralen Fachhochschule, einem fast 300 Jahre alten Wasserschloss samt riesigem Schlossgarten, dreht sich für die Finanzanwärter – wie sollte es anders sein – fast alles ums Steuerrecht. Schließlich ist die deutsche Steuergesetzgebung eine der kompliziertesten weltweit und umfasst tausende von Seiten Gesetzestext und Kommentare. Und jährlich kommen neue hinzu. "Auch nach dem Studium müssen die Finanzbeamten ständig weiterlernen, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Das erfordert Flexibilität und Engagement", erklärt Ausbildungsreferentin Sabine Loock. Bewerber für den Beruf sollten gute Abiturnoten mitbringen, logisch denken können, selbstständig und teamfähig sein. Das Online-Bewerbungsverfahren für den nächsten Ausbildungsstart 2010 beginnt Anfang Juli dieses Jahres. 

Zur Neutralität verpflichtet

Auch als Diplom-Verwaltungswirt in einer Kommune ist logisches Denken unverzichtbar, weiß Christian Spormann vom Jugendamt Mönchengladbach. Darüber hinaus müssten Interessenten gut kommunizieren und mit der deutschen Sprache umgehen können. "Wenn man später mal Bescheide schreibt, soll der Bürger schließlich verstehen, was man von ihm will." Als eine Art Dolmetscherin, die ihren Kunden die komplizierte Materie in einfaches Deutsch übersetzt, sieht sich letztlich auch die Kölner Finanzbeamtin Christina Weitz. Dabei führt ihr spezielles Wissen nicht selten zu privaten Überstunden: Immer wieder bitten Freunde und Verwandte sie inzwischen um Unterstützung bei der eigenen Steuererklärung. "Dann beantworte ich zwar allgemeine Fragen. Tipps, wie man Steuern sparen kann, darf ich allerdings nicht geben", sagt die 22-Jährige und lächelt, "immerhin bin ich als Beamtin zur Neutralität verpflichtet." 

Bachelor für den Kommunalen Verwaltungsdienst in Nordrhein-Westfalen (die Ausbildungsmodalitäten variieren je nach Bundesland)

Einstellungsvoraussetzungen: Abitur oder Fachhochschulreife, nicht älter als 36 Jahre
Beginn: Anfang September eines Jahres
Dauer: 3 Jahre
Verlauf: dualer Studiengang. Studienabschnitte an einer FH für öffentliche Verwaltung und Praxisphasen in verschiedenen Ämtern einer Kommune wechseln sich ab
Vergütung: 962,78 Euro monatlich, auch während der Studienabschnitte (Stand: August 2010)
Abschluss: LL.B. oder B.A., Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst in der allgemeinen Verwaltung
Bewerbung: direkt beim Personalamt der jeweiligen Kommune 

Diplom-Finanzwirt (FH) in Nordrhein-Westfalen (die Ausbildungsmodalitäten variieren je nach Bundesland)

Einstellungsvoraussetzungen: Abitur oder Fachhochschulreife, nicht älter als 36 Jahre
Beginn: im August/September eines Jahres
Dauer: 3 Jahre
Verlauf: dualer Studiengang. Studienabschnitte an der FH für Finanzen in Nordkirchen und Praxisphasen im Finanzamt wechseln sich ab
Vergütung: ca. 975 Euro monatlich, auch während der Studienabschnitte (Stand: November 2011)
Abschluss: Diplom-Finanzwirt (FH), Erwerb der Laufbahnbefähigung für den gehobenen Dienst in der Steuerverwaltung
Bewerbung: online auf www.studium-im-finanzamt.de

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