Über das Stiftungs-Projekt MINT-Berufsorientierung
Interview mit Benjamin Wockenfuß
Vom Umgang mit Eltern, die nur das Beste für ihre Kinder wollen.
Die kleine Lisa Marie ist mit 9 Jahren gar nicht mehr so klein. Ihre Schule ist fußläufig in nur 10 Minuten erreichbar. Trotzdem lassen ihre Eltern sie jeden Morgen in der “Kiss and Go”-Zone der Grundschule aus dem Auto heraus und holen sie dort nach der letzten Stunde auch wieder ab. Bevor es diese Zone gab, brachte manch ein Elternteil das Kind sogar bis in den Klassenraum. Mittlerweile hört man sogar von Klassenarbeiten, deren Korrekturen nur noch in Kopie ausgegeben werden, damit die Eltern sie nicht zu Gunsten einer besseren Note manipulieren können. Es werden Klassenfahrten abgesagt, weil sie aus pädagogischen Gründen “handyfrei” sein sollen und Eltern nicht bereit sind, ihre Kinder ohne Smartphone fahren zu lassen. Es gibt mehrtägige Festivitäten anlässlich des Wechsels von der Grund- auf die weiterführende Schule – inklusive Fotoshooting, Abschlussshirts und -ball. Man hört von Eltern, die auf Berufsorientierungsmessen ihren Nachwuchs vor sich herschieben und verkünden „Wir wollen BWL studieren!“ und solchen, die versuchen ihr Kind bei unzureichendem Notenschnitt ohne Wartesemester in den Wunschstudiengang zu klagen.
Was ist da los? Warum ist es nicht mehr so, wie es mal war? Als Eltern selbst noch Kinder waren, hatten die Erwachsenen ihren Beruf und die Kinder waren in der Schule. Natürlich wurden die Kleinen auch daran erinnert, Vokabeln zu lernen oder Hausaufgaben zu machen. Aber im Großen und Ganzen war die Schule ihr Job und sie selbst waren für ihren Erfolg oder Misserfolg verantwortlich. Mit allen Konsequenzen. Seitdem schwirren gefühlt Jahr um Jahr mehr Helikopter-Eltern umher und erschweren sowohl den Schulalltag der Lehrkräfte als auch ungewollt die Entwicklung ihrer Kinder.
Die Hubschrauber-Metapher wurde bereits 1969 vom israelischen Psychologen Haim G. Ginott in seinem Buch Between Parent & Teenager aufgebracht. Dort zitiert er einen Jugendlichen, der sagte: „Mother hovers over me like a helicopter“. Seine amerikanische Kollegin Wendy Mogel nimmt den Begriff der Helikopter-Eltern 2001 in ihrem Buch The Blessings of a Skinned Knee zuhilfe. Dort setzt sie sich mit den Ursachen seelischer Instabilität wohlbehüteter Mittelschichtkinder auseinander.**
Das Problem: Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht. Überbehütung und übertriebene Verantwortungsübernahme macht es Kindern schwer, ihre Fähigkeiten und Potenziale voll zu entfalten. Wer nie selbst eine Entscheidung treffen und mit den Folgen leben musste, entwickelt Entscheidungsschwierigkeiten und keine Strategien, wie mit dem Scheitern umzugehen ist. Prof. Dr. Stephan Bender, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik Köln weiß: „Kindern von Helikoptereltern fehlt es oft an sozialer Kompetenz und Eigeninitiative. Sie haben Probleme, ihre Bedürfnisse zu äußern, und können ihre Begabungen nicht voll entfalten.“*
Natürlich sind die meisten Eltern am Wohlergehen ihrer Kinder interessiert. Dennoch rutschen einige von ihnen vom Normalmaß ab und nehmen die Helikopterrolle ein. Sie wollen das Beste und ihr Kind beschützen. Darüber vergessen sie aber, dass sich der Nachwuchs Fähigkeiten selbst erarbeiten muss. Man kann sie nicht von außen wie eine Mütze überstülpen.
Für Eltern ist demnach eine wichtige Aufgabe und gleichzeitig eine der größten Herausforderungen: Sie müssen die eigenen Ängste und Sorgen aushalten, damit sie ihrem Kind den Freiraum geben können, den es braucht, um Fähigkeiten zu entwickeln und zu trainieren.
Seien wir mal ehrlich: Es macht durchaus Spaß, sich über Helikopter-Eltern aufzuregen. Für alle, die keine Kinder haben oder sich aus beruflichen Gründen in einer anderen Rolle sehen, ist der Austausch mit anderen Leidtragenden durchaus hilfreich. Ganz nach dem Motto: Geteiltes Leid, ist halbes Leid. Aber das Helikopter-Bashing ist vor allen Dingen eines: eine Schublade. Eine pauschalisierte Zuschreibung für Elternteile, die vielleicht ähnliche Muster verfolgen, deren Beweggründe aber unterschiedlich sein können. Für Elternteile, die im Grunde genommen mit ihren Sorgen ernst genommen und gehört werden wollen. Dass wir sie in eine Schublade stecken und belächeln, ist zwar menschlich, verändert aber nichts.
Es wird erst möglich sein, mit emotional gesteuerten Elternteilen ein konstruktives, lösungsorientiertes Gespräch zu führen, wenn wir trotz des anstrengenden Helikopterns noch mehr Zeit und Muße investieren, um sie besser zu verstehen: Was bewegt Eltern? Warum handeln sie, wie sie handeln? Welche Sorgen stecken dahinter? “Kleine Zeichen der Wertschätzung können bei Eltern Türen öffnen”, weiß Sabine Gärtner. Sie ist selbst Mutter von zwei Kindern und hat als Berufswahlcoach und Diplom-Pädagogin oft mit verzweifelten Eltern zu tun. “Nur wer selbst innerlich genährt ist, kann auch seinem Kind vertrauen, ihm Orientierung und Halt geben.” Die Expertin weiß, dass Schwarz-Weiß-Denken im Austausch mit Eltern nicht angebracht ist. “Jedes Familiensystem ist anders, jedes Kind bringt seine ganz eigenen Themen mit. Deshalb frage ich immer erst einmal genau nach: Wo liegen die Herausforderungen? Was braucht diese Familie, dieser Mensch? Meine Aufgabe ist es, mit einem offenen Blick, gezielten Fragen und echtem Zuhören dabei zu helfen, diese Stärken sichtbar zu machen. Und das ist es, was ich an meiner Arbeit liebe: Die Kraft im Menschen zu entdecken – ohne die Herausforderungen kleinzureden.”
Es gilt also, eine gemeinsame Ebene zu finden. Und das gelingt nur über ein Investment an Zeit, über Zuhören und Nachfragen. Erst wenn Barrieren ab- und Vertrauen aufgebaut ist, kann es gelingen, offen zu sprechen und Rat zu geben, der nicht als Kritik verstanden wird und der keine Abwehrreaktion erzeugt.
Um eine effektive Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Eltern zu fördern, sind eine klare Kommunikation, gegenseitiger Respekt und eine positive, lösungsorientierte Einstellung entscheidend. Lehrkräfte sollten sich Zeit für Gespräche nehmen, Eltern aktiv zuhören und eine wertschätzende Atmosphäre schaffen.
1. Vorbereitung
2. Das Gespräch
3. Bleiben Sie dran:
Bei allen Bemühungen hängt das Gelingen einer guten Eltern-Lehrkraft-Beziehung natürlich nicht allein von Ihnen ab. Wenn Sie merken, dass kein gemeinsamer Nenner zu finden oder vielleicht sogar gar nicht gewünscht ist, gilt es unter Umständen auch sich selbst zu schützen und eine weitere Eskalation zu verhindern.
Beispiele nach Bundesländern:
NRW:
https://www.schulministerium.nrw/beratungstelefon
Rheinland-Pfalz:
https://bildung.rlp.de/schulpsychologie/schulen/supervision
Bayern:
https://www.schulberatung.bayern.de/themen-und-anlaesse/lehrkraftstaerken
Hessen:
https://kultus.hessen.de/schulsystem/schulpsychologie
Berlin:
https://www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/beratungszentren-sibuz/
Hamburg:
Baden-Württemberg:
https://zsl-bw.de/,Len/startpage/beratung/angebote-lehrkraefte-und-schulleitungen
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