Merken

Das Berufswahl-SIEGEL: BO-Auszeichnung für Schulen

„Das Berufswahl-SIEGEL ist eine echte Chance für Schulen“

Das Berufswahl-SIEGEL zeichnet Schulen aus, die ihre Schülerinnen und Schüler besonders gut auf die Zukunft vorbereiten und Berufliche Orientierung fest im Schulprogramm verankern. Markus Golla war lange als Lehrkraft und StuBo tätig, seit Februar 2025 ist er Landeskoordinator des Netzwerks Berufswahl-SIEGEL Nordrhein-Westfalen. Im Gespräch mit Susanne berichtet er, wie Schulen vom SIEGEL profitieren, wie der Prozess abläuft und warum es sich lohnt, sich auf den Weg zu machen. 

Herr Golla, Sie sind selbst Lehrkraft gewesen. Welche Funktion hatten Sie genau? 

Ich war an meiner Schule für die Koordination der Beruflichen Orientierung in den Jahrgängen 8 bis 10 zuständig – also auch für die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern und die Bearbeitung von Anfragen. 

Und wie kam es dazu, dass Sie heute Koordinator für das Berufswahl-SIEGEL in NRW sind? 

Ich habe als Lehrer schnell gemerkt, wie entscheidend gute Berufliche Orientierung für Schülerinnen und Schüler ist – nicht nur für ihren Einstieg ins Berufsleben, sondern auch für ihre persönliche Entwicklung. An meiner Schule habe ich mich stark für das Thema engagiert und bin so auch mit dem Berufswahl-SIEGEL in Kontakt gekommen. Als sich die Möglichkeit ergab, die Koordination in Nordrhein-Westfalen zu übernehmen, habe ich die Chance gerne ergriffen. Seit Februar 2025 bin ich nun Landeskoordinator. 

Ihr eigener Bildungsweg war ja nicht ganz geradlinig. Inwiefern hat er Sie für das Thema Berufsorientierung sensibilisiert? 

Schon im Studium habe ich meinen Schwerpunkt auf Berufliche Orientierung gelegt. Auch mein eigener Werdegang hat mich geprägt: Ich habe das Abitur über den zweiten Bildungsweg gemacht und vorher eine Ausbildung absolviert. Das hat mich motiviert, Kindern und Jugendlichen heute gute Chancen in der Beruflichen Orientierung zu eröffnen. 

Erinnern Sie sich noch an Ihre eigene Schulzeit: Gab es damals schon Berufsorientierung, die Ihnen geholfen hat? 

In meiner Schulzeit gab es Berufsorientierung eher punktuell – meist in Form von Praktika oder einzelnen Projekttagen. Wir waren zum Beispiel im Berufsinformationszentrum, wo wir am PC Ausbildungsberufe vorgeschlagen bekamen, mit denen ich persönlich wenig anfangen konnte. Strukturiert und systematisch, so wie wir es heute durch das Berufswahl-SIEGEL kennen, gab es das damals nicht. Das ist sicher einer der Gründe, warum mir das Thema so am Herzen liegt: Schülerinnen und Schüler sollen bessere Chancen haben, ihre Stärken zu entdecken und fundierte Entscheidungen treffen zu können. 

Was genau machen Sie als Landeskoordinator für das Berufswahl-SIEGEL in Nordrhein-Westfalen? 

Ich verantworte die strategische Steuerung, berate die SIEGEL-Träger-Regionen sowie Netzwerkpartner:innen und sorge dafür, dass einheitliche Qualitätsstandards praxisnah umgesetzt werden. Darüber hinaus organisiere sowie moderiere ich Landesnetzwerktreffen und pflege den regelmäßigen Austausch mit dem bundesweiten Netzwerk Berufswahl-SIEGEL und mit dem Ministerium für Schule und Bildung NRW, mit dem seit 2025 eine engere Kooperation besteht. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung des SIEGELs, damit es den Veränderungen in Bildungs- und Arbeitswelt gerecht bleibt. 
 
Wie läuft es ab, wenn sich eine Schule bewirbt – was erwartet die Lehrkräfte und die Schulleitung? 

Der SIEGEL-Prozess gliedert sich in drei Schritte. Zunächst bewerben sich die Schulen bei ihrem regionalen SIEGEL-Träger mit einem Kriterienkatalog. Wir geben den Schulen aber auch die Möglichkeit, sich in Ruhe zu überlegen, ob sie über die personellen und zeitlichen Ressourcen verfügen, um am Prozess teilzunehmen. Wichtig ist: Die Teilnahme am Zertifizierungsverfahren ist freiwillig. In Nordrhein-Westfalen muss die Bewerbung bis zum 15. Dezember eingereicht werden. Im Anschluss prüft eine unabhängige, multiperspektivische Jury die Bewerbung. Sie setzt sich aus Vertreter:innen der Wirtschaft, Schule, Hochschule, Agentur für Arbeit und teilweise auch aus Eltern zusammen. Die Jury entscheidet, ob die Schule in das Auditverfahren aufgenommen wird. Danach stimmt die jeweilige SIEGEL-Träger-Region den Audit-Termin mit der Schule ab. 
Im Audit selbst präsentieren die Schulen ihre Konzepte, Maßnahmen und Erfolge in der Beruflichen Orientierung. Dazu gehören ein Schulrundgang mit Praxiseinblicken, Gespräche mit Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrkräften und Kooperationspartnern sowie die Reflexion und Bewertung bestehender Strukturen und Potenziale. Besonders wichtig ist uns dabei: Es geht nicht um Kontrolle, sondern um eine wertschätzende Rückmeldung und Anregungen zur Weiterentwicklung. In NRW finden die Audits in der Regel zwischen März und Mai statt. 

Klingt nach viel Arbeit. Können Sie Lehrkräften diese Sorge ein wenig nehmen? 

Ja, auf jeden Fall. Viele Schulen machen schon sehr viel gut, sind sich dessen aber oft gar nicht bewusst oder sprechen nicht darüber. Genau hier setzt das Berufswahl-SIEGEL an: Wir bilden im Kriterienkatalog nur das ab, was über die KAoA-Standardelemente hinausgeht. 
Es geht nicht darum, noch mehr Projekte „on top“ zu machen. Vielmehr wollen wir Bestehendes strukturieren, sichtbar machen und nachhaltig verankern. Das SIEGEL hilft, aus dem bereits Bestehenden ein stimmiges Gesamtkonzept zu entwickeln. Wichtig ist auch: Die SIEGEL-Träger-Regionen stehen den Schulen beratend zur Seite. Lehrkräfte sollten keine Scheu haben, Kontakt aufzunehmen. Gerade bei Kriterien, die auf den ersten Blick nicht eindeutig wirken, geben wir gerne Denkanstöße und Unterstützung. Oft zeigt sich im Gespräch schnell: „Das passt doch genau zu diesem Punkt.“ Und keine Sorge: Wir erwarten keine langen Texte. Es reicht völlig, die Inhalte prägnant und auf den Punkt darzustellen – eine Doktorarbeit muss niemand schreiben. 

Können Sie den Audit-Prozess noch etwas genauer beschreiben? Wie läuft so ein Tag ab? 

Das Audit ist je nach SIEGEL-Träger-Region unterschiedlich organisiert. Exemplarisch läuft es aber in etwa so ab: Zwischen acht und neun Uhr morgens trifft die Jury in der Schule ein. Dort sichtet sie zunächst vorbereitete Materialien. Im Anschluss finden die ersten Gespräche mit Schülerinnen und Schülern statt. Hier werden Fragen anhand des Kriterienkatalogs gestellt, gleichzeitig haben die Jugendlichen die Möglichkeit, ihre eigene Wahrnehmung einzubringen. Danach folgen Gespräche mit schulischen und außerschulischen Akteuren – also Lehrkräften, Vertreter:innen der Agentur für Arbeit und manchmal auch Eltern. Ein weiterer Bestandteil ist ein Schulrundgang, bei dem sich die Jury zum Beispiel auch den Bereich der Beruflichen Orientierung vor Ort anschaut. Am Ende des Vormittags gibt es ein Feedbackgespräch, das bewusst wertschätzend gestaltet ist. Wichtig zu wissen: Die Entscheidung über die Vergabe des Berufswahl-SIEGELs fällt nicht im Audit selbst, sondern wird später von der jeweiligen SIEGEL-Träger-Region getroffen und der Schule zurückgemeldet. 

Wie lange dauert es in der Regel, bis eine Schule eine Rückmeldung erhält? 

Das Audit selbst dauert normalerweise einen Vormittag. Die Rückmeldung erfolgt dann innerhalb von ein bis zwei Wochen. 

Welche ermutigende Botschaft haben Sie für Schulen, die noch zögern, sich mit dem Berufswahl-SIEGEL zu beschäftigen? 

Skepsis ist verständlich, weil Dokumentation und Gespräche zunächst aufwendig wirken. Aber viele Schulen stellen schnell fest, dass sie schon viel Gutes tun. Das Berufswahl-SIEGEL hilft, diese Arbeit sichtbar zu machen und klare Strukturen zu schaffen. Wichtig ist: Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der ganzen Schule – nicht die Aufgabe einzelner Lehrkräfte. Mein Rat: Lassen Sie sich nicht abschrecken. Schritt für Schritt ist der Prozess gut machbar und am Ende eine echte Chance. 

Welche Veränderungen beobachten Sie an Schulen, die das Berufswahl-SIEGEL erhalten haben? 

An SIEGEL-Schulen merkt man deutlich, dass die Berufliche Orientierung ein stärkeres Gewicht bekommt und fest im Schulprogramm verankert ist. Es entsteht eine Kultur, in der die Zukunft der Schülerinnen und Schüler systematisch in den Blick genommen wird – nicht als Zusatz, sondern als Teil der schulischen Identität. Natürlich spielt auch die Sichtbarkeit nach außen eine Rolle. Schulen sind stolz auf das Berufswahl-SIEGEL und nutzen es in ihrer Kommunikation, etwa gegenüber Eltern oder in der Öffentlichkeitsarbeit. 
Vor allem aber sorgt das SIEGEL dafür, dass die bereits bestehenden Maßnahmen zur Beruflichen Orientierung eine besondere Wertschätzung erfahren. Das motiviert Lehrkräfte und das gesamte schulische Umfeld, weiter an diesem Thema zu arbeiten und den Prozess kontinuierlich weiterzuentwickeln.  

Gibt es ein Beispiel, bei dem Sie gesehen haben, dass das Berufswahl-SIEGEL wirklich etwas bewegt hat? 

Ich habe selbst schon an Audits teilgenommen. Dabei bin ich dann ein Teil der unabhängigen Jury, nicht in meiner Rolle als Landeskoordinator. Eine Schule im ländlichen Raum konnte durch das Berufswahl-SIEGEL ihre Kooperationen mit regionalen Betrieben deutlich ausbauen. 
Daraus entstand die Idee, eine eigene schulinterne Berufswahlmesse zu organisieren – gemeinsam mit den regionalen Partnern. Dort lernen Unternehmen die Schülerinnen und Schüler frühzeitig kennen und können gezielt Nachwuchskräfte gewinnen, nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für Praktika. Das Ergebnis: Jugendliche haben bessere Perspektiven, und gleichzeitig wird die Region gestärkt. Solche Beispiele zeigen sehr konkret, wie Schule und Wirtschaft durch das Berufswahl-SIEGEL gemeinsam profitieren können. 

Berufsorientierung verändert sich ständig – Stichwort Digitalisierung, Fachkräftemangel, neue Berufsbilder. Welche Rolle spielt das Berufswahl-SIEGEL dabei? 

Das Berufswahl-SIEGEL gibt Schulen einen Rahmen, um flexibel auf diese Entwicklungen zu reagieren. Digitalisierung bedeutet zum Beispiel, dass digitale Berufsfelder stärker in den Blick rücken. Gleichzeitig brauchen auch die Jugendlichen neue Kompetenzen, um sich in der Vielfalt der Möglichkeiten orientieren zu können. Das SIEGEL schafft dafür Qualitätsstandards und macht Schulen zukunftsfähig. Darüber hinaus bietet die SIEGEL-Akademie regelmäßig kostenlose digitale Workshops für SIEGEL-Schulen, SIEGEL-Träger und SIEGEL-Jurymitglieder an. SIEGEL-Schulen haben dort auch die Möglichkeit, ihre Best-Practice-Beispiele vorzustellen. Das ist eine besondere Stärke unseres Netzwerks: Schulen lernen voneinander, kommen in den Austausch und entwickeln sich gemeinsam weiter. Genau dieser Erfahrungsaustausch ist ein wichtiger Motor, um Berufsorientierung stetig zu verbessern. 

Hier gibt’s mehr

icon_shuffle Neu mischen